„Ich habe einfach gesummt", erinnert sich Luis Bauer. Und das sei seiner Lehrerin eben aufgefallen: Ob der Knabe wohl auch singen kann? „Die hat mich dann auf den Domchor aufmerksam gemacht." Vorsingen, ein paar Mal Chorvorbereitung und ab ging's in den großen Chor: Die Karriere des damals Achtjährigen unter dem damaligen Chorleiter Mathias Breitschaft verlief ungewöhnlich schnell – heute ist er auch für Domkapellmeister Karsten Storck eine wichtige Stütze. Luis weiß das wahrscheinlich, lässt sich das jedoch nicht anmerken. Im Gegenteil: Er ist einfach nur Feuer und Flamme für „seinen" Chor.
Jérôme Wenk und Raphael Fahrhat sind noch etwas jünger. Auch sie singen mit Begeisterung im Mainzer Domchor – endlich: Im Sommer 2011 stießen sie dazu, nachdem sie auf den „Streifzügen", die die Verantwortlichen des Chores auf der Suche nach stimmbegabten Jungs regelmäßig in Mainzer Schulen führt, quasi entdeckt wurden: „Herr Breitschaft hat uns Töne vorgespielt, die wir dann nachsingen sollten." Und das klang offenbar so vielversprechend, dass unter anderem die Eltern von Jérôme und Raphael bald darauf einen Brief bekamen, in dem sie eingeladen wurden, den Mainzer Domchor kennenzulernen.
Ein Jahr lang besuchten sie die Proben der Chorvorbereitung, wo aktuell 40 Neue angefangen haben! Hier lernen sie Noten, auch schon kleinere Stücke – alles locker, aber konzentriert. „Nach den Ferien konnten wir immer erzählen, was wir erlebt haben", erinnert sich Jérôme. Und nach den Sommerferien 2012 war es dann so weit: Die erste Probe im großen Chor! Seit einem halben Jahr üben die Neunjährigen hier drei Mal wöchentlich neue Stücke ein, pflegen das Repertoire, feilen am Klang des Chores.
Jeder der 23 Knaben, die am 24. Dezember offiziell in den Mainzer Domchor aufgenommen werden, bekam hierfür einen Paten zur Seite gestellt, der als Ansprechpartner und Wegweiser dient: Wie zählt man die Takte? Wo soll der Chor gleich einsetzen? Und wie hält man eigentlich die Noten richtig? Luis war mit seinen 13 Jahren selbst schon drei Mal Pate – ein „alter Hase" also.
Was bedeutet es den drei Jungs, in diesem Ensemble zu singen? Natürlich sind da die Konzerte und vor allem die Reisen: „Meine Eltern waren noch nicht in Brasilien – aber ich war schon mit dem Chor da", umschreibt Luis stolz etwas, was für die meisten in seinem Alter überhaupt nicht selbstverständlich ist, für die Sänger im Mainzer Domchor aber eben auch dazu gehört. Nicht nur Jérôme und Raphael sind gespannt, wohin wohl ihre erste Reise geht. Nach Israel oder Kanada? Man munkelt da so was...
Doch die Reisen sind „nur" das Sahnehäubchen – in Konzerten und vor allem in den Gottesdiensten im Dom leistet der Chor Großartiges. Und auch das begeistert die Jungs an ihrem Chor: das Singen, das Einstudieren neuer Stücke, das Lernen und Begreifen, was man mit der eigenen Stimme machen kann. Dass das gerade im Mainzer Domchor mitunter auch anstrengend sein kann, weiß Luis – und auch Jérôme und Raphael haben schon gemerkt, dass die freie Zeit plötzlich weniger geworden ist. Offenbar stört sie das aber nicht, denn was von außen wie harte Arbeit aussieht, kommt bei dem, der sie erledigt, ganz anders an: „Wenn ich singe, bin ich viel ruhiger. Dann denke ich auch an nichts anderes", sagt Luis.
Schule und Chor lassen sich also unter einen Hut bringen? Raphael weiß, dass die Anforderungen wohl höher werden, wenn es im nächsten Jahr auf die weiterführende Schule geht. Aber davor hat er keine Angst, zeigen ihm seine älteren Chorfreunde doch, dass man beides erfolgreich meistern kann. Während des Gesprächs mit den drei Jungs kommt hier eine interessante Konstante zur Sprache, die augenzwinkernd vermuten lässt, als gebe es eine geheime Absprache zwischen Domchor, Schule und Pubertät: „Wenn es im Unterricht richtig stressig wird ist, man ja eigentlich im Stimmbruch", merkt Luis an. Und als Männerstimme hätte man dann ja sowieso abends Probe...
Während Luis ein Instrument, nämlich Schlagzeug spielt, verfügten Jérôme und Raphael über keinerlei musikalische Vorbildung, als sie in den Chor kamen. Aber eben über eine schöne Stimme, wobei Jérôme demnächst mit Klavierunterricht anfangen möchte. Diese Stimme kommt jetzt übrigens bei allen dreien nicht nur während der Chorarbeit zum Einsatz: Die Knaben singen auch einfach so in ihrer Freizeit, hören zuhause aus eigenem Antrieb Musik: „Und manchmal hat man einfach einen Ohrwurm", grinsen die drei, bevor es ab in die Chorprobe geht. Welche Melodie sie wohl heute auf dem Heimweg begleiten wird?