1959 schrieb der polnische Komponistenverband einen nationalen Kompositions-Wettbewerb aus, bei dem von den anonym eingereichten Werken drei prämiert wurden. Als man die versiegelten Umschläge mit den Namen der Teilnehmer öffnete, war das Erstaunen groß: Alle ausgezeichneten Musikstücke waren von ein und demselben Künstler eingereicht worden – von Krysztof Pendercki.
Diese Überraschung verhalf dem heute 82-jährigen Komponisten zu einem ungeahnten Karriereschub. 30 Jahre später war Pendercki zu Weltruhm gelangt und bekannte 1898 in einer Interview mit der „Neuen Zeitschrift für Musik“: „Ich habe alle Themen, die mich interessiert haben, gebracht: Te Deum, Magnificat, Passion, Grablegung Christi, Auferstehung, Requiem. Was bleibt noch? Eigentlich nichts.“
Ein biografischer Aufsatz des Musikpublizisten Hartmut Lück fragt provokant, ob sich Pendercki tatsächlich bereits „ausgeschrieben“ habe (was sein Œuvre der Folgezeit verneint). Allerdings beschreibt er eine „merkwürdige Tatsache“: Pendercki beziehe seine „Lukas-Passion“, die im März in Auszügen im Mainzer Dom zur Aufführung gelangt, auch auf das Leiden der Verfolgten unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und sein „Dies irae“ auf Auschwitz sowie den „Jüngsten Tag“ des christlichen Glaubens. „Wird da nicht der Ratschluss Gottes mit der ganz irdischen ‚Endlösung der Judenfrage‘ durch die Nazis in eins gesetzt?“ Diese Widersprüche, so Lück, machten indes die Persönlichkeit des Komponisten aus: „Ebenso wie sein Instinkt für das ästhetische und politisch gerade Opportune.“ Keine Frage: Pendercki ist ein Komponist, an dessen Schaffen und Individualität man sich abarbeiten kann. „Ich habe Jahrzehnte damit zugebracht, neue Klänge zu entdecken“, sagt er. Gleichzeitig sei er allen Formen, Stile und Harmonien der Vergangenheit treu geblieben. Sein Schaffen bezeichnet er als Synthese beider Bereiche.
Früh erhielt Pendercki Geigen- und Klavierunterricht, studierte in der Folgezeit an der Musikakademie Krakau Kompositionslehre und an der Universität Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte. An der Akademie übernahm er 1958 eine Professur für Komposition und war von 1972 bis 1987 ihr Rektor. 1988 wurde Pendercki erster Gastdirigent des NDR-Sinfonieorchester, das Rheingau Musik Festival widmete ihm 2001 ein Komponistenportrait.
Penderecki komponierte mehrere seiner Werke im Andenken an die Katastrophen des 20. Jahrhunderts. „Threnos“ für 52 Streichinstrumente ist den Opfern des Bombenabwurfs über Hiroshima gewidmet, das Klavierkonzert „Resurrection“ entstand unter dem Eindruck der Terroranschläge am 11. September 2001 in Amerika. Für den Komponisten seien solche inhaltlichen Verknüpfungen keine abstrakten Vorstellungen, informiert der Mainzer Schott-Verlag, in dem die Werke des Komponisten erschienen sind. Die Bezüge würden für den Zuhörer in der instrumentalen Tonfärbung und Klangdramatik emotional nachvollziehbar. Diverse politisch-gesellschaftliche Bezüge finden sich auch im „Polnischen Requiem“, dessen Komposition 1980 mit dem Lech Walesa zugeigneten „Lacrimosa“ begonnen wurde. Weitere Sätze des Werkes hat Penderecki den polnischen Auschwitz-Opfern und dem Warschauer Aufstand von 1944 zugedacht. 2005 entstand dann die „Ciaccona in memoriam Johannes Paul II.“ im Gedenken an den aus Polen stammenden Papst.
Die Kooperation mit namhaften Instrumentalsolisten, darunter die Violinistin Anne-Sophie Mutter und der Cellist Mstislaw Rostropowitsch, führten zu einer großen Anzahl von Kompositionen unterschiedlicher Gattungen. Pendereckis spezielles Interesse gilt jedoch der musikalischen Großform und hier vor allem der Sinfonie. Die 1997 uraufgeführte siebte Sinfonie mit dem Titel „Seven Gates of Jerusalem“ verlangt eine Besetzung aus fünf Gesangssolisten, Sprecher, drei Chören und großem Orchester. Das einstündige Werk entstand im Rahmen der 3000-Jahr-Feier Jerusalems, wobei die verwendeten alttestamentarischen Texte der Gesangspartien in augenfälliger Beziehung zur wechselvollen Geschichte der Stadt stehen. Pendereckis achte Sinfonie trägt den Titel „Lieder der Vergänglichkeit“ und entstand anlässlich der Eröffnung der Luxemburger Philharmonie 2005. Die vertonten romantischen Gedichte zu den Themen Wald und Baum stammen von deutschen Dichtern, darunter Johann Wolfgang von Goethe und Joseph von Eichendorff.
Der Schott-Verlag informiert in einer Kurzbiografie über die beeindruckende Anzahl an Preisen und Auszeichnungen: 1966 erhielt er den Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen, 1967 den Prix Italia und die Sibelius Gold Medal sowie 1970 den Preis des Polnischen Komponistenverbandes. Zudem wurde er 1977 mit dem Prix Arthur Honegger, 1983 mit dem Sibelius Prize of the Wihuri Foundation und dem Polnischen Staatspreis, 1985 mit dem Premio Lorenzo il Magnifico, 1992 mit dem University of Louisville Grawemeyer Award for Music Composition, 1993 mit dem Preis des Internationalen Musikrates/UNESCO sowie 1999 mit dem Musikpreis der Stadt Duisburg, 2000 mit dem Cannes Award als „Living Composer of the Year", 2002 mit dem Romano Guardini Preis der Katholischen Akademie in Bayern und 2004 mit dem Praemium Imperiale ausgezeichnet. Seit 1990 ist Pendercki außerdem Träger des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und Chevalier de Saint Georges. 1995 wurde er Mitglied der Royal Academy of Music in Dublin, 1998 der American Academy of Arts and Letters und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. 2006 ernannte man den Komponisten zum Commander of the Three Star Order im lettischen Riga und berief ihn in Polen als Mitglied des Order of the White Eagle. Krzysztof Penderecki ist Ehrendoktor und -professor mehrere internationaler Universitäten.
[Foto: Adam Kumiszcza/Wikiepdia]