Die Dommusik in Zeiten von Corona I (04/2020)

Eigentlich ist der Dom derzeit für die Öffentlichkeit ja geschlossen: Es gibt keine Gottesdienste und auch keine Kirchenmusik. Über einen eigenen Youtube-Kanal steht Domkapellmeister Karsten Storck mit seinen Jungs vom Knabenchor, den jungen Damen vom Mädchenchor sowie den Erwachsenen der Domkantorei trotzdem in Verbindung. Und nicht nur mit ihnen: Quasi der ganzen Welt sendet die Dommusik via Internet die Botschaft „Wir sind da, wir denken an Euch, singen und beten für Euch.“ In kleinen Videos stimmte Frederic Schorn aus dem Domchor bislang ein Frühlingslied an, man hörte Cellist Javor Domischljarski und die Geigerin Emma Mühlnickel – natürlich stets mit dem gebührenden Sicherheitsabstand – musizieren.


Auch am Palmsonntag vor Ostern war der Dom morgens menschenleer. Nachmittags füllten jedoch Gesänge das Gotteshaus: Für ein seit Ostern abrufbares Youtube-Video hatte Storck zusammen mit Frank Hallmann vom CD-Label Rondeau Production aus Leipzig die Idee der „Virtuellen Domcapelle“ realisiert: 23 Sängerinnen und Sänger der Musica sacra nahmen nacheinander vier Chorstücke auf. Dabei machte es die Technik möglich, im Chor zu singen, ohne gegen geltendes Gesetz zu verstoßen, denn tatsächlich befanden sich im Viertelstundentakt immer nur zwei Personen im Dom: ein Sänger oder eine Sängerin und Dirigent Storck.


Der hatte für die Motetten „Verleih uns Frieden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, und „Christ ist erstanden“ von Hans Leo Hassler, den Adolf-Seifert-Satz von „Der Mond ist aufgegangen“ und das berühmte „Abendlied“ von Josef Gabriel Rheinberger vormittags eine Klavierbegleitung aufgenommen, die beide nun synchron über Kopfhörer eingespielt bekamen. Ein bis zwei Mal hatte jede Stimme die Lieder zu singen: für das Videomaterial und etwaige Korrekturen. Aufgenommen wurde mit sechs Mikrofonen, so dass die Tontechniker anschließend aus mehr als 120 Tonspuren die 23-stimmige und im Endergebnis a cappella singende „Virtuelle Domcapelle“ akustisch und optisch zusammensetzen konnten.


Rondeau-Geschäftsführer Frank Hallmann fand die Idee von Karsten Storck großartig: „Wir haben so was noch nie gemacht und sahen das Ganze sofort als Projekt unter Freunden“, schließlich besteht zwischen dem Leipziger Label und der Dommusik eine langjährige Partnerschaft. In der Memorie, durch die man vom Dom in dessen Kreuzgang gelangt, hatten die Tonmeister Benedikt Wadewitz und Lennard Schubert die Technik aufgebaut und fingen den Gesang der Solisten somit aus sicherer Entfernung ein, die Kopfhörer wurden nach jeder Aufnahme desinfiziert. „Jede Stimme verließ den Dom sogar auf einem anderen Weg, damit sich die Choristen nicht begegnen“, beschrieb Storck, wie man auf die Sicherheit für alle Teilnehmer geachtet hatte.


Das Video hat laut Hallmann nicht nur einen künstlerischen Wert, sondern auch einen seelsorgerischen: „Es ist ein Mittel der Verkündigung über die Musik.“ Insofern war man gerne bereit, für einen Freundschaftspreis diese Publikation einzuschieben: Im Oktober veröffentlicht Rondeau dann den Mitschnitt des Domkonzerts vom September des vergangenen Jahres mit der Krönungsmesse von Vincenzo Maria Righini. Da man sich ja bereits gut mit der Domakustik auskennt, war es nicht schwer, die 23 Stimmen überzeugend zur „Virtuellen Domcapelle“ zu mischen. Dass die Qualität stimmt, war Domkapellmeister sehr wichtig: „Mit einer Handykamera kann man so was nicht machen“, freut sich Storck über das Engagement der Leipziger Freunde.


„Wir wissen ja nicht, was wird“, sagt der Musiker: „Vielleicht können wir im Mai schon wieder miteinander musizieren, vielleicht auch erst Wochen später.“ Daher sei es ihm wichtig, gerade zu Ostern ein ermutigendes Zeichen zu setzen. Mag die „Virtuelle Domcapelle“ kein echter Ersatz für die lebendige Musica sacra sein, eine melodische Alternative in Zeiten der Corona-Krise ist sie allemal. Und neben Rheinberges Abendlied klingen besonders Matthias Claudius‘ Schlussverse in „Der Mond ist aufgegangen“ lange nach: „Verschon uns Gott mit Strafen / Und lass und ruhig schlafen / Und unsern kranken Nachbarn auch.“

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