Nach den Sommerferien hat auch wieder die Chorarbeit am Dom begonnen, wenn auch unter Corona-Auflagen. Wir sprachen mit Domkapellmeister Prof. Karsten Storck über die aktuellen Beeinträchtigungen und Möglichkeiten des gemeinsamen Singens in den Vokalensemble am Mainzer Dom.
Herr Prof. Storck, inwiefern wird Ihre Arbeit mit den Chören am Dom nach wie vor von Corona beeinflusst?
Zunächst einmal ist es für uns großartig, überhaupt wieder proben zu können und Räumlichkeiten zu haben, die das unter den aktuellen Vorschriften zulassen. Der große Saal im Chorhaus verfügt seit Juni über eine neue Klimatechnik, die ständig Frischluft zuführt und verbrauchte Luft absaugt. Große Abstände machen trotzdem Sinn, weil nach wie vor nicht klar ist, wie sich die Aerosole beim Singen verbreiten. Vor der Sommerpause haben wir im Freien geprobt, was schön und wichtig war, damit die Chorgemeinschaft nicht auseinanderbricht. Doch gerade für die Mädchen- und Knabenstimmen war das künstlerisch und pädagogisch nicht zufriedenstellend, weil ich wenig Einfluss auf die stimmlichen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen nehmen konnte. Auch die Internetaktionen mit Onlineproben und Videoprojektionen dienten vor allem dem Zusammenhalt.
Wie arbeiten Sie aktuell?
Wir haben alle Ensembles – und das sind rund 450 Sängerinnen und Sänger – in gleichstarke Kleingruppen aufgeteilt. Jede dieser Gruppen hat zwischen 15 und 21 Singende und ist drei- oder vierstimmig singfähig. Das heißt für uns drei Chorleiter Jutta Hörl, Michael Kaltenbach und mich, dass wir jeden Tag in einem sehr eng rhythmisierten Zeitplan mit kleinen Kammerensembles proben. Das ist für alle eine neue Erfahrung, birgt für den Einzelnen aber auch Chancen, weil wir ganz anders auf die stimmlichen Belange unserer Choristen eingehen und uns jedem ein bisschen individueller widmen können.
Wie sieht es denn mit Auftritten aus?
Die konzentrieren sich aktuell auf die Gottesdienste im Dom, in denen die verschiedenen kleinen Ensembles alle auch zum Einsatz kommen. Was hier derzeit leider nicht geht, sind die Konzerte. Da müssen wir uns noch gedulden, bis sich die Vorschriften für die Zuschauerzahlen gelockert haben und ein Konzert im Dom musikalisch und wirtschaftlich auch Sinn macht.
Also finden hier in diesem Jahr überhaupt keine Konzerte mehr statt?
Doch, auch wenn wir hier das Programm ändern mussten und noch mit Hochdruck an tragfähigen Auftrittskonzepten arbeiten. Am 15. November wollten wir eigentlich mit der Aufführung von Michael Tippetts Oratorium „A Child of Our Time“ eine neue Kooperation der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz beginnen. Doch die hierfür nötige Besetzung ist schlicht zu groß. Stattdessen gehen wir jetzt ins Kurfürstliche Schloss. Am 15. November musizieren wir hier in reduzierter Besetzung ein kleines, aber feines Programm, dass ich momentan zusammenstelle. Dieses Konzert wird zweimal hintereinander gespielt, so dass die treuen Fans der Musica Sacra am Mainzer Dom auf jeden Fall in den Genuss wunderbarer Musik kommen werden – wenn auch ausnahmsweise an einem anderen Ort. Das Weihnachtskonzert hoffen wir dann wieder im Dom singen zu können – auch hieran arbeiten wir gerade intensiv.
Welche Schäden hat die Pandemie in der Musica Sacra angerichtet?
Tatsächlich ist schon ein großer Schaden entstanden: sowohl künstlerisch als auch materiell. In die Zeit des Lockdowns fielen unser Mozart-Requiem und das Beethoven-Oratorium „Christus am Ölberge“. Hierfür gab es mit dem 4. Oktober und dem 1. November anfangs Nachholtermine, die jedoch leider auch nicht gehalten werden können. Wir mussten außerdem drei große Reisen absagen: die des Domchors nach St. Petersburg mit einem ausverkauften Mozart-Requiem in der Philharmonie, unsere Tournee nach Brasilien mit Konzerten in Rio de Janeiro und beim Barockfestival in Salvador de Bahia sowie die Chorwerkwoche für die Mädchen im österreichischen Werfenweng.
Wie empfindlich hat es denn die einzelnen Chöre getroffen?
Was Corona konkret für die Arbeit in den einzelnen Ensembles bedeutet, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Wir müssen jetzt in jedem Chor schauen, wo er steht. Gerade der Knabenchor ist ja kein statisches Ensemble, sondern unterliegt durch die stimmliche Mutation einem ständigen Wechsel. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gut durch die Pandemie kommen. Natürlich müssen wir künstlerisch mit Weniger auskommen, doch das betrifft ja nicht nur uns, sondern alle Ensembles mit ähnlichen Strukturen. Wir fangen jetzt einfach wieder an, Musik zu machen.
Wie sieht es denn unter Corona-Vorzeichen mit der Nachwuchswerbung an den Schulen aus?
Die findet statt, aber anders, denn gemeinsames Singen im Klassenraum ist zurzeit ja leider nicht möglich. Wir werden aber trotzdem wie gewohnt Grundschulen besuchen und dort über unsere chorischen Aktivitäten erzählen, wobei wir hoffentlich bei vielen Familien Interesse am Singen wecken. Das holen wir am 26. September nach: Interessierte Familien sind ab 14 Uhr mit ihren Kindern des zweiten und dritten Schuljahres herzlich eingeladen zu uns kommen, um uns und die musikalische Arbeit der Chöre kennenzulernen. Ein kurzer Anruf im Domchorbüro genügt, um eine Uhrzeit zu vereinbaren. Auch damit wollen wir ein ganz klares Zeichen setzen: Die Chöre am Mainzer Dom singen! Und wir erhalten auch schon wieder erste Konzertanfragen. Es geht also weiter.
Gegen Vorlage der Karten für die ausgefallenen Domkonzerte am 22. März (Mozart-Requiem) und das Passionskonzert am 29. März bekommt man auf Wunsch vom 15. September bis zum 30. Dezember in der Dominformation Am Markt 10 (06131 253412) oder im Infoladen des Bistums (06131 253888) den Verkaufspreis der jeweiligen Karte erstattet.
Das Vorsingen für interessierte Jungen und Mädchen findet am 26. September ab 14 Uhr im Chorhaus am Dom statt. Die Terminvergabe erfolgt nach telefonischer Anmeldung (06131 253371); weitere Informationen hierzu in Kürze unter www.domchor-mainz.de.