In den vergangenen Monaten erklang in den Dom-Gottesdiensten durchaus Musik –mit wenigen Stimmen und Instrumenten. Der erste Lockdown traf die Musica Sacra hart. Wie es ihr während des weiten geht, berichtet Domkapellmeister Prof. Karsten Storck im Interview:
Herr Storck, wie sind die Chöre am Dom ins neue Jahr gekommen?
Gut, auch wenn wir leider nicht alle zusammen musizieren durften und dürfen. Aber wir konnten die Gemeinschaft zusammenhalten und haben in keinem Ensemble ein Mitglied verloren. Das stimmt durchaus optimistisch.
Wie sieht aktuell die musikalische Arbeit aus?
Der zweite Lockdown hat alles wieder ins Internet verlagert, wo wir so gut es eben geht Musik machen. Dabei sind wir vor allem froh, dass wir die Sängerinnen und Sänger sehen. Und es wurde ja tatsächlich auch gesungen: Die Dienstanweisung des Bistum Mainz erlaubt uns, mit jeweils vier Stimmen und Instrumenten die großen Gottesdienste musikalisch zu gestalten. Bläser sind wegen des erhöhten Aerosolausstoßes nicht erlaubt. Einige der großen Gottesdienste wurden sogar im Internet gestreamt. Das klingt beinahe routiniert, bedeutet aber einen sehr hohen Aufwand in der Planung, da viele Stücke neu arrangiert werden müssen und vor allem für die Mitwirkenden ein großes Maß an Professionalität und Verantwortung, da wir uns vor den Gottesdiensten nur kurz musikalisch abstimmen konnten. Denn Chorproben sind ja nicht möglich. Die Rückmeldungen waren jedoch sehr positiv: Über 12.000 Menschen haben die Christmette im Dom online erlebt.
Wann hatten Sie zum letzten Mal persönlichen Kontakt mit den Chören?
Das ist tatsächlich schon lange her: Zur Bischofskonferenz im Februar 2020 habe ich letztmals mit allen gemeinsam musiziert. Zwischen den Lockdowns haben wir nur in Kleingruppen mit nie mehr als 10 bis 15 Sängerinnen und Sängern musiziert. Aber ich denke, dass der Frühling und die Impfungen jetzt die Wende bringen, und wir durch Lockerungen der Bestimmungen wieder singen können. Ich bin optimistisch und sage jetzt mal: In der zweiten Jahreshälfte machen wir wieder Musik!
Gerade der Domchor verändert sich stimmbruchbedingt ständig. Wie sieht es hier aus?
Der Domchor hat 160 singende Kinder und Jugendliche, ist also nicht existenzbedroht. Aber wir stehen nach dem ersten Corona-Jahr vor großen Herausforderungen und haben noch eine Durststrecke vor uns. Es wächst jetzt der zweite Jahrgang Knabenstimmen heran, der noch kein einziges Konzert gesungen hat und auch unser Repertoire nicht kennt. Die Arbeit im Internet dient ja zuvorderst der Vorbereitung der Gottesdienste. Sobald wir dürfen, müssen wir alles daransetzen, dass der Chor wieder singfähig wird und auch sechs- bis achtstimmige Literatur aufführen kann.
Was tun Sie, um so viel Kontinuität wie möglich zu bieten?
Im Moment ist das ja nur per Video möglich. Und hier haben wir in den vergangenen Monaten viel gelernt. Ich glaube, dass die Chorarbeit per Internet tatsächlich künstlerisch vielleicht nicht befriedigend, aber musikalisch und pädagogisch zielführend ist. Natürlich habe ich wenig Kontrolle über die stimmliche Entwicklung der Kinder, was ich durch Einzelstimmbildung ebenfalls via Internet zu kompensieren versuche. Jutta Hörl, Michael Kaltenbach und ich tun alles, um den Corona-Schaden so gering wie möglich zu halten. Dabei erhalten wir große Unterstützung von Bischof Kohlgraf, Weihbischof Bentz, Domdekan Heckwolf und dem Domkapitel. Dieses Bekenntnis zu unserer gemeinsamen musikalischen Arbeit könnte deutlicher nicht sein.
Wie reagieren die Kinder von Dom- und Mädchenchor und ihre Familien auf die Situation?
Einfach riesig! Alle helfen mit, das ist einfach eine großartige Erfahrung. Vor allem die älteren Mädchen des Mädchenchores und meine Männerstimmen setzen alles daran, dass der Kontakt nicht abreißt. Es gibt Patenaktionen und virtuelle Spielenachmittage. Wir haben sogar zusammen ein Kochbuch erstellt und der Mädchenchor hat Weihnachtssterne gebastelt. Auch die Eltern haben eine unglaubliche Zuversicht und den Willen, diese Krise gemeinsam durchzustehen. Eine Mutter sagte mir: „Wissen Sie, wir werden uns alle mal daran erinnern, dass wir die Generation von Sängerinnen und Sängern, Eltern und Familien sind, die die Chöre durch diese Zeit begleitet und dafür gesorgt hat, dass sie weiter existieren.“ Und das finde ich eine ganz, ganz tolle Einstellung.