„Corona hat alle Chöre am Dom gebeutelt“, resümiert Karsten Storck. Vor allem den Mainzer Domchor: „Da wir über lange Strecken nicht proben und damit ja überhaut nicht singen durften, sind viele Jungs unkontrolliert in den Stimmbruch gekommen.“ Geknickt gibt sich der Domkapellmeister allerdings nicht: „Künstlerisch müssen wir zwar fast von vorne anfangen, aber wir sind hierfür bestens gerüstet.“
Vor allem personell habe es keine Einbrüche gegeben, obwohl mittlerweile der dritte Domchorjahrgang kein einziges Konzert habe singen können. „Das sind alles tolle Kinder und Jugendliche. Und auch die Familien stehen voll und ganz hinter uns“, freut sich Storck und rät: „Schauen Sie sich im Internet mal die live gestreamte Christmette des Mädchenchores an. Das ist einfach großartig!“
Haben andere Chöre in der Zeit der Lockdowns ihr Arbeiten komplett eingestellt, war es dem Domkapitel wichtig, dass Storck gerade das nicht tut. Im Gegenteil: Der Kirchenmusiker nutzte die Zeit ohne Gesang für Rhythmus-Übungen und Musiktheorie – ein Bereich, der selbst bei sehr guten Chorsängern laut Szenebeobachtern oft ein nicht allzu gut bestelltes Feld ist. Dank des guten Miteinanders und Zusammenhalts in den Domchören sei es gelungen, die Gemeinschaft weiter zu stärken: „Das haben wir Musiker ja vielen voraus“, weiß Storck: „Und Lernen besteht ja nicht nur aus Mathe oder Vokabelpauken.“
Darüber hinaus führte der Zwangsstillstand dazu, dass sich die Verantwortlichen in den Chören am Dom mit neuen Medien, Internet-Proben und Videotechnik auseinandersetzten. Jetzt kann Storck Videos erstellen, schneiden und hochladen – zu sehen unter anderem in den sozialen Medien der Chöre am Dom. Ganz aktuell ist auf dem YouTube-Kanal des Mainzer Bistums ein neuer Imagefilm zu sehen. Auch die Chorszene vernetzte sich, man fragte oft bei Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern oder Bistümern nach, wie die arbeiten oder bestimmte Regeln umsetzen. Und die Fahrten und Konzerteinladungen kommen wieder: Allein Domkantor Michael Kaltenbach erhielt als Leiter des Mädchenchores in den letzten Tagen drei Angebote.
Zwar können Storck und seine Kollegen aktuell keine Schulen besuchen, um neue Stimmen für die jugendlichen Ensembles am Mainzer Dom zu entdecken, doch die Anmeldezahlen sind überraschend stabil: Im Herbst 2021 konnten Mädchen- und Domchor über 60 neue Mädchen und Jungen begrüßen. Für den künstlerischen Neubeginn ist man also in allen Ensembles bestens gerüstet und motiviert, was auch an der Rückendeckung durch das Domkapitel und den neuen, übrigens selbst chormusikaffinen Domdekan Henning Priesel liege.
Was Storck jetzt noch fehlt ist eine Entspannung der Lage und daraus folgend endlich grünes Licht für die Wiederaufnahme der Probenarbeit unter größtmöglich normalen Umständen. Denn selbst, wenn man unbedingt singen wollte: „Die Gesundheit unserer Schutzbefohlenen stand auch für mich als Dirigent stets an allererster Stelle.“ Pläne für Konzerte liegen bereits in der Schublade: Am 3. April möchte Storck mit der Domkantorei Bachs Johannespassion musizieren, am 12. Juni soll in St. Stephan ein Psalmkonzert erklingen und am 17. Juni am gleichen Ort im 8. Sinfoniekonzert des Staatstheaters das von Storck eigens in Auftrag gegebene Werk „Aufbruch“ von Olivier Truan uraufgeführt werden.