Am 10. April 2015 ist der neue Domkantor Michael Kaltenbach 100 Tage im Amt. Mittlerweile hat er sich in Mainz, wo er unweit des Doms Quartier bezogen hat, gut eingelebt. Hier hat er auch Kirchenmusik studiert. Im Gespräch wird schnell klar, dass Kaltenbach seine erste Anstellung als Glücksfall sieht – oder, wie er es bezeichnet: „Als Sechser im Lotto!“
Eigentlich wollte Michael Kaltenbach, 1984 in Hornberg im Schwarzwald geboren, ja Lehrer werden – nach Abitur und Zivildienst bei der Caritas. Sein Orgellehrer hatte ihm die Möglichkeit aufgezeigt: Lehramtsstudium für das Gymnasium. Und irgendwie schien das alles auch zu klappen: Die Musikhochschule besuchte Kaltenbach von 2007 bis 2011 in Karlsruhe und begann nach dem erfolgreichen Studienabschluss 2012 noch ein Kirchenmusik-Studium in Mainz. Auch das war 2014 absolviert und eine Anstellung als Referendar in Emmendingen eigentlich schon beschlossene Sache.
Doch dann war da eben diese Stelle ausgeschrieben: Domkantor in Mainz! Matthias Bartsch, der das Amt bislang bekleidete, ist derzeit in Elternzeit und man suchte eine Vertretung – für die Dommusik unterm Strich ein Plus, denn die Stelle wird auch nach Bartschs Rückkehr 2016 weiter besetzt bleiben. Und das, wie es nach 100 Tagen im Amt aussieht, mit Michael Kaltenbach.
Der 30-jährige Domkantor stammt aus einem musikalischen Elternhaus, spielte schon als Kind in der Blaskapelle seines Heimatdorfes. Mit der Kirchenmusik kam er erst mit 16 Jahren in Verbindung. Doch es war sozusagen „Liebe auf das erste Hören“: Kaltenbach spielt Klarinette, Klavier und Orgel. Als Jugendlicher absolvierte er die C-Prüfung als nebenamtlicher Kirchenmusiker.
Neben dem regelmäßigen Orgelspiel gab Kaltenbach Unterricht als Stimmbildner und sang selbst unter anderem im Kirchenchor seiner Heimatgemeinde in Niederwasser, im Adoramus-Chor, im Landesjugendchor sowie im Kammerchor Kinzigtal. Außerdem leitete er sieben Jahre lang den Kirchenchor in Wolfach und war Assistent sowie Sänger der Gutacher Chorakademie. Er gründete 2008 den Konzertchor Astragalos sowie 2013 den gleichnamigen Kinderchor. Vielfältige Erfahrungen sammelte er außerdem in der Projektarbeit mit verschiedensten Chorbesetzungen.
Das Lehramtsstudium nahm so gut wie Kaltenbachs ganze Zeit in Anspruch und die Aussicht auf die spätere Tätigkeit als Musiklehrer reizte und erfüllte ihn durchaus – vor allem, weil man in Baden-Württemberg als Musiklehrer nicht zwingend ein zweites Fach belegen muss und stattdessen zwischen Jazz- und Populärmusik sowie Kirchenmusik wählen kann, also innerhalb des Kernfachs bleibt. Kaltenbach entschied sich natürlich für letzteres. Seine Lehrer in Karlsruhe waren Jörg Halubek, Martin Schmidt und Andreas Weiss. Eine Zukunft als Lehrer konnte sich Kaltenbach zwar gut vorstellen, doch war es letztendlich die Kirchenmusik, die ihn als Hauptaufgabe noch mehr fesselte. In Mainz lernte er bei Susanne Rohn, Hans-Jürgen Kaiser, Alfred Müller-Kranich, Peter Scholl sowie Dan Zerfaß – und seinen heutigen Kollegen, Domorganist Daniel Beckmann und Domkapellmeister Karsten Storck.
Die Bewerbung auf die Stelle des Domkantors in Mainz stellte für Kaltenbach durchaus eine Grundsatzentscheidung dar, denn sollte er doch noch ein Referendariat für den Lehrberuf am Gymnasium antreten wollen, wäre das ein riesiger Verwaltungsakt. Einen Grund dafür sieht der Kirchenmusiker aber keinesfalls, denn in Mainz kann er in beiden Berufungen wie Berufen aufgehen: Kantorendienst, Unterricht in den Singklassen der Martinus-Schulen Weisenau und Oberstadt sowie an der Maria-Ward-Schule und die vielfältige Tätigkeit als Kirchenmusiker an dieser „großartigen Kathedrale“, wie Kaltenbach mit leuchtenden Augen schwärmt. Und man merkt ihm an, wie sehr ihn seine Aufgabe begeistert: Er leitet den Mädchenchor am Dom und St. Quintin, gibt Stimmbildung und vertritt Domkapellmeister Karsten Storck, der ihn an der Mainzer Hochschule für Musik in Kinderchorarbeit unterwies.
Überall sei er herzlich aufgenommen worden, berichtet Kaltenbach – auch im Mädchenchor, wo man sich nach nur zwei Jahren unter Matthias Bartsch wieder an einen neuen Chorleiter gewöhnen musste. Doch das hat offensichtlich gut geklappt: Dass der erste gemeinsame Auftritt am 8. März, als der Mädchenchor des Kölner Doms zu Gast in Mainz war, ausgerechnet am Weltfrauentag absolviert wurde, war offensichtlich ein gutes Omen.
Wie es explizit weitergeht, wenn Bartsch aus der Elternzeit an seinen Platz zurückkehrt, wird sich zeigen. Bis dahin freut sich Kaltenbach am „großartigen Engagement“ der vielen Choristen am Dom, die, so betont der Domkantor, „auf sehr hohem Niveau musizieren“. Und das tut er natürlich auch selbst und singt begeistert in den Chören am Dom mit. So war er bereits in Monteverdis Marienvesper und zuletzt in Bachs Johannespassion zu hören – nicht nur für ihn erfüllende Momente.