Die Freitagsprobe des Mainzer Domchors nach Fronleichnam verlief wie gewohnt. Nur eben an einem anderen Ort: Die jungen Sänger waren unter der Reiseleitung ihres Domkapellmeisters Karsten Storck nach Dijon gefahren, der Besuch von kurzer Hand geplant. Denn beim Austausch der üblichen Weihnachtsgrüße kam Storck und seinem Kollegen in Dijon, Etienne Meyer, die Idee, einander aus gegebenem Anlass zu besuchen: Seit 60 Jahren existiert die Städtepartnerschaft zwischen der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt und Dijon.
Und sie wird vor allem kulturell aktiv gelebt: Hier mit dem „Haus Burgund“, dort mit dem „Haus Rheinland-Pfalz“ – und in beiden Städten mit einem langjährigen, musikalischen Austausch zwischen dem Mainzer Domchor und seinen französischen Kollegen von der Maîtrise de Dijon, der örtlichen Domsingschule. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat man sich vier Mal gegenseitig besucht – das Mainz-Gastspiel der jungen Sängerinnen und Sänger aus Frankreich wird laut Storck in den nächsten Monaten erfolgen.
„Die Städte haben viel gemeinsam“, hat der Domkapellmeister während seiner Aufenthalte in Dijon erfahren: „Beides sind alte Römerstädte, etwa gleich groß und vor allem mit einer ähnlich frohen Lebensart.“ Unterschiede bestehen indes im Organisatorischen: So existiert an der Kathedrale Saint-Bénigne kein konzertantes Leben, das dafür in der Kirche Saint Chantal stattfindet; in Frankreich gibt es flächendeckend die Ganztagsschule, Staat und Kirche sind noch strenger als hierzulande getrennt: „Es ist für die Jungs immer spannend zu erleben, dass nur fünf Autostunden von uns entfernt ganz andere Verhältnisse herrschen.“ Auch das kirchenmusikalische Leben ist anders strukturiert.
Und doch gibt es eben auch Gemeinsamkeiten, wie beide Kathedralchöre vor allem im sonntäglichen Gottesdienst bewiesen, wo sie anschließend ein Kurzkonzert gaben. Der Höhepunkt war das gemeinsam intonierte „Halleluja“ aus Händels „Messias“. Am Abend zuvor fand in Saint Chantal das eigentliche Festkonzert statt, bei dem der Domchor Werke Alter Musik und der Romantik sowie zeitgenössische Kompositionen aufführte – nach der kritischen Einschätzung ihres Domkapellmeisters übrigens in Bestform: „Meine Jungs haben gesungen wie von einem anderen Stern – ich habe den Domchor noch nie so gut erlebt.“
Dem Konzert vorausgegangen waren nicht nur Proben in der neu errichteten Ècole Saint-Bénigne in einem Vorort von Dijon, wo die Maîtrise als Domsingschule eine neue Heimat gefunden hat: Schon am Freitagabend konnten sich die Jungs bei einer Stadtrally austoben und waren am Samstag mit einem Besuch des mittelalterlichen Städtchens Beaune und der Besichtigung eines Châteaus auch touristisch unterwegs. Beherbergt wurden die Sänger von Gastfamilien, womit die Städtepartnerschaft ebenfalls aktiv gestaltet wurde. Mit der Fahrt nach Dijon gab Storck den Domchoristen nicht zuletzt auch einen kleinen Vorgeschmack auf die erste Woche der Herbstferien – das Reiseziel dann heißt St. Petersburg.
Der Mainzer Domchor während seines Auftritts in der Kirche Saint Bénige am 2. Juni 2018.